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„WIR ARBEITEN DARAN, IM SOMMER 2022 WIEDER IN DER NORMALITÄT ANGEKOMMEN ZU SEIN“ – Torsten Schweigert, Präsident des ABC

Auch knapp fünf Monate nach der verheerenden Flutkatastrophe im Ahrtal ist die Lage beim Traditionsverein „Ahrweiler BC“ weiterhin schwierig und unwirklich. Alles ist anders als gewohnt! Auf insgesamt neun Sportplätzen in der näheren und auch weiteren Umgebung versuchen die Senioren- und Jugendmannschaften, den Spiel- und Trainingsbetrieb aufrecht zu erhalten. Ein „Wir“ und einen Alltag im Sinne eines funktionierenden Vereinsgefüges, als Ort der Begegnung, des alltäglichen Austauschs und der Gemeinschaft gibt es einfach nicht mehr. Aktive, Trainer, Betreuer, Eltern der Jugendspieler*innen und Verantwortliche des Vereins sind ständig herausgefordert, sich flexibel zu zeigen, sich den gewachsenen Aufgabenbereichen und den sich oft verändernden Situationen anzupassen und gerecht zu werden. Zeit für ein kleines Resumée. Daher haben wir uns mit dem Präsidenten des ABC, Torsten Schweigert, unter anderem darüber unterhalten, vor welchen Herausforderungen der Verein momentan steht, was die Perspektiven und Hürden sind und was passieren muss, um die Zukunft des Vereins zu sichern.

Wie hast Du persönlich die Flutnacht am 14.7. erlebt?

Schon der Tag selbst war für uns in der Familie ein trauriger Tag, da wir uns von unserem langjährigen Familienhund nach langer Krankheit verabschieden und einschläfern mussten. Als meine Frau und die Zwillinge gegen 21 Uhr nach Hause kamen, blieb nur sehr kurze Zeit für Trauer und Trost, da wir noch gemeinsam die wichtigsten Dinge in höher gelegene Stockwerke gebracht haben, um auf das Schlimmste vorbereitet zu sein. Gegen 23 Uhr klingelte eine Freundin von uns an der Tür; im Schlepptau 6-8 Kinder jeglichen Alters, deren Eltern in Ahrnähe wohnen und damit beschäftigt waren, Ihre Häuser gegen die kommende Flut zu sichern und sie uns ihre Liebsten anvertrauten. Kurz nach Mitternacht wurde dann unser Keller von drei Seiten geflutet und unser Haus stand mitten in einem See. Wir sind 700m (!!) von der Ahr entfernt. Gottlob haben die Kinder von den nächtlichen Ausmaßen nichts mitbekommen.

Wie sehr und inwieweit ist der Ahrweiler BC von der Flutkatastrophe betroffen?

Wir reden leider von einer fast 100%tigen Zerstörung unserer Standorte in Bad Neuenahr und Ahrweiler. Sowohl der Hartplatz, als auch die beiden Kunstrasenplätze sind komplett zerstört. Der Rasenplatz im Stadion wurde komplett überflutet inklusive der Infrastruktur. Auch das Herzstück unseres ABC, das Vereinsheim fiel den Fluten zum Opfer. Dazu kommt der Verlust von Trainingsmaterial, Bällen und zahllosen Trikotsätzen.

Wie sieht der Trainingsalltag der Mannschaften vor und nach dem 14.7. aus?

Es war immer schön zu sehen, wenn unsere verschiedenen Mannschaften, ob im Senioren- oder Jugendbereich, gemeinsam auf der Anlage trainiert haben. Ein Meer aus rot-weißen Fußballern, ob groß oder klein, hat sich beim Training engagiert und dabei viel Spaß gehabt. Dies ist nach der Flutkatastrophe ganz anders. Dank` Unterstützung und Solidarität der Vereine im Kreis, sind unsere Mannschaften nun an 9 verschiedenen Trainings- und Spielstätten in RLP und NRW unterwegs. An dieser Stelle einen ganz lieben Dank an die Vereine, die uns aufgenommen haben.

Wie sehr hat sich die Arbeit des ABC-Vorstands nach der Flut verändert?

Wie schon in der „Corona-Zeit“ haben wir wieder in den Krisenmodus geschaltet. Zunächst galt es das Vereinsheim ganz schnell vom gröbsten Schlamm und Geröll zu befreien und mögliche Dinge noch zu retten. Auch hier wurden wir von vielen befreundeten Vereinen, Mitgliedern und Helfern wahnsinnig unterstützt. Zum Ende der Sommerferien wurden dann die Gespräche mit dem Fußballverband Rheinland aufgenommen, um Lösungen für unsere zahlreichen Mannschaften zu finden, damit diese wieder am regulären Spielbetrieb teilnehmen konnten. Dank unbürokratischer Hilfe des FVR ist dies in kürzester Zeit geschehen.

Was genau ist Eure primäre Aufgabe als Vorstand, vier Monate nach der Flut.

Zunächst war und ist es uns wichtig zu wissen, wie es unseren Mitgliedern geht, was sie bewegt und wo wir möglicherweise als Verein helfen, vermitteln und unterstützen können. Dazu haben wir am 3.November ein „Get Together-Abend“ auf der Adenbachhütte veranstaltet, der sehr gut besucht war. Zeit für einen Gedankenaustausch, ein Update vom Vorstand und mal endlich wieder Gemeinsamkeit. Desweiteren sind wir voll in der Planung für den Wiederaufbau des Vereinsheims, der hoffentlich noch vor Jahresende startet.

Welche Perspektiven bietet die Stadt?

Momentan sind ja auf dem Platz Container aufgebaut. Wie lange sollen die da bleiben? Welche Alternativen bietet die Stadt an? Wann wird wieder ein normaler Trainingsbetrieb für die Mannschaften im Apollinarisstadion möglich sein? Wir sind im konstruktiven Dialog mit den Verantwortlichen der Stadt und wollen uns als Verein beim Wiederaufbau der Sportanlagen mit vielen kreativen Ideen, „Manpower“ und überregionaler Hilfe einbringen. Dabei gilt es auch die weiteren Nutzer unserer Sportstätten mitzunehmen; ich denke da vor allem an den SC13, die Leichtathletik Vereine und den Schulsport. Sobald wir den Startschuss der Stadt erhalten, werden wir an unseren Zielen arbeiten. Die Nutzung des Kunstrasenplatzes mit Containern für Flutopfer entspricht vielleicht nicht ganz unserer Idealvorstellung, aber die Unterstützung für Menschen, die ihr gesamtes Hab und Gut verloren haben oder kein warmes Zuhause im Winter haben, hat absolute Priorität und geht den Vereinsinteressen vor. Ich persönlich gehe davon aus, dass wir sehr bald den Bedarf bzw. die Nachfrage kennen und dann weitere Entscheidungen getroffen werden. Bis dahin ist eben unsere eigene Kreativität gefragt, wie wir den Trainings- und Spielbetrieb aufrecht erhalten werden.

Welche Perspektive/Vision siehst Du für den Verein?

Der ABC ist ein regionaler Traditionsverein, der in seiner 101-jährigen Geschichte mit vielen Höhen und Tiefen zu kämpfen hatte und selbst ein Weltkrieg nicht aus der Bahn geworfen hat. Wir durften so viel Unterstützung und Hilfe bundesweit erwarten, die wir wohl alle vorher nicht so erwartet hatten. Wir haben somit einen entsprechenden Vertrauensvorschuss erhalten und damit liegt nun der Ball auf unserer Seite, den Wiederaufbau konstruktiv, nachhaltig und zeitnah voranzutreiben, damit wir eines Tages sagen können: „Wir sind wieder da“! Es wird ein langer Weg, aber wir gehen ihn alle gemeinsam.

Was entgegnest Du Eltern, die sagen, dass sie nicht in der Lage sind, den Mehraufwand an Fahrerei zu den Gastplätzen, die mitunter weit weg sind, noch lange tragen können?

Diese Nachfrage ist natürlich verständlich, da die Eltern nicht nur den Mehraufwand an Fahrten zu den Sportstätten haben, sondern ebenso zu den Schulen. Wenn dann noch Mitglieder sich nicht mehr aufgrund der Zerstörung ihres Zuhause außerhalb des Stadtgebietes befinden, dann wird das schnell zu einer logistischen und finanziellen Herausforderung. Daher haben viele Eltern – insbesondere bei unserem Nachwuchs – eigene „digitale Fahrgemeinschaftsgruppen“ untereinander gegründet, was auch bisher jeden Kicker wieder sicher nachhause gebracht hat. Zudem haben wir aus Spenden verschiedene Kleinbusse angeschafft, die die sichere Fahrt zu den entsprechenden Auswärtsspielen garantieren.

Wo siehst Du den ABC in einem Jahr?

Zuerst möchte ich diese Frage im sportlichen Bereich zum Status Quo beantworten. Ich empfinde einen tiefen Respekt, wie sich der ganze ABC über alle Jugend- und Seniorenbereiche in der laufenden Saison bewährt hat. Trotz widrigster Verhältnisse im Ahrtal und Trainingsrückstand sind wir im Vorstand sehr stolz darauf, was wir sportlich erreicht haben. Es herrscht eine starke Verbundenheit in den Mannschaften, eine wahre „Jetzt erst recht“ Stimmung!

Der Vorstand hat sich zum Ziel genommen, in der kommenden Saison nach den Sommerferien wieder in der Normalität angekommen zu sein. Wir sind uns bewusst, dass es möglicherweise nicht zu 100% sein wird, aber wir arbeiten mit Hochdruck an dieser Zielsetzung. Es gilt die ABC-Familie bis zum Sommer wieder zusammenzuführen, damit wieder Leben in unsere Stadt kommt. Unser ABC braucht dringend eine Perspektive, die wir auf diese Weise schaffen wollen.

Was sind die größten Herausforderungen, denen sich der Verein jetzt stellen muss?

Das „Jetzt“ ist der Winter, die sogenannte „Dunkelzeit“. Es gilt unseren Mannschaften und Mitgliedern ein Ziel durch diese Zeit mit auf den Weg zu geben. Jeder im ABC braucht diese Leitplanken und ein klares Ziel vor Augen, um bald die kalte, nasse Jahreszeit im Rückspiegel zu betrachten. Das Ziel ist der Wiederaufbau und ganz schnell ein neues Vereinsheim, in dem wir uns treffen können, um Gemeinsamkeit erleben zu können. Ganz klar gesagt: wir sind für jedes Mitglied da, wenn er Sorgen oder Nöte hat. Gleichzeitig werden wir mit einigen Aktionen in den kommenden Wochen und Monaten noch aufwarten. Das Credo ist: „Machen, statt Hadern“…..

Rechnet Ihr mit Mitgliederverlust durch die Flutkatastrophe?

Solange wir mit unserer eigenen Zielsetzung „Rückkehr zur Normalität Sommer 2022“ auf Kurs liegen, rechnen wir mit keinen signifikanten Mitgliederverlusten. Alles was länger dauert, was von vielen Faktoren abhängt, wird zu einer Herausforderung für unseren ABC, da ein Verein zusammengehört und durch die Gemeinschaft geprägt wird.

Interview: Anne Theiss