++DRITTE LIGA UND NOCH KEIN ENDE?++
„Fabian ist unser bestes Pferd im Stall“, meinte Vorstandsmitglied Martin Brand salopp zu dem im Sommer vom Grafschafter SV zum Ahrweiler BC gewechselten Schiedsrichter Fabian Schneider. Der 26-jährige Unparteiische pfeift u.a. in der Regionalliga Südwest und ist erstmals seit Saisonbeginn als Assistent in der 3. Liga tätig – zuletzt am 14. Dezember beim Spiel zwischen Hansa Rostock und dem Chemnitzer FC vor über 13.000 Zuschauern im Rostocker Ostseestadion. Wir haben uns mit Fabian u.a. über seine Eindrücke, seine Ambitionen und allgemein über Schiedsrichter und deren Probleme unterhalten.
DU BIST IN DIESER SAISON ERSTMALS AUCH ALS ASSISTENT IN DER 3. LIGA TÄTIG. WIE IST DEIN EINDRUCK NACH EINEM HALBEN JAHR UND WAS SIND DIE GRÖSSTEN UNTERSCHIEDE IM VERGLEICH ZUR REGIONAL- UND OBERLIGA?
Fabian Schneider:
Jede Mannschaft kann jeden Mitkonkurrenten schlagen. Das gestaltet die 3. Liga sportlich sehr attraktiv. Bis zur letzten Sommerpause habe ich mich zugegebenermaßen nur sporadisch mit den ligazugehörigen Teams auseinandergesetzt. Spätestens beim Einlaufen im ersten 3. Liga Spiel (Viktoria Köln – Hallescher FC) habe ich jedoch gemerkt, dass diese Spielklasse nicht mit den Amateurspielklassen zu vergleichen ist. Hier ist man als Sportler – egal ob als Spieler, Funktionär oder eben Unparteiischer – im Profigeschäft angekommen. Es gibt im Unterschied zu den darunterliegenden Spielklassen professionelle Strukturen, viele namhafte Vereine, darunter zahlreiche Traditionsclubs sowie beeindruckende Spielorte mit hohen Zuschauerzahlen. Für uns Schiedsrichter ist insbesondere der Fakt, dass sämtliche Spiele live oder auch in der Sportschau übertragen werden, eine große Umstellung. Im Gegensatz zur 1. und 2. Bundesliga gibt es den Videobeweis nicht, dennoch lösen die TV-Anstalten nahezu alles auf. Diese mediale Präsenz ist definitiv ein großer Unterschied und erfordert präzise Entscheidungen.
WIE IST DER SPIELTAG INKL. DES VORTAGES FÜR DIE SCHIEDSRICHTER IN DER 3. LIGA DURCHORGANISIERT?
Fabian Schneider:
Ein 3. Liga Spiel beginnt nicht erst mit dem Anpfiff. Zwei Wochen vor dem eigentlichen Spieltag wird das Schiedsrichterteam, bestehend aus dem Hauptschiedsrichter und seinen zwei Assistenten, von der sportlichen Leitung der DFB-Elite-Kommission vorläufig, d.h. ohne Bekanntgabe der Paarung, angesetzt. Intern erfahren wir jedoch bereits unmittelbar die Einzelheiten zur Begegnung, um unsere Anreise (ggf. über das DFB-Reisebüro) zu planen und Abstimmungen im Team treffen zu können. Die Anreise selber erfolgt am Vortag, um zum einen den Widrigkeiten des Verkehrs zu trotzen, aber insbesondere vor dem Hintergrund einer gemeinsamen Spielvorbereitung. Die Spielvorbereitung beginnt am Vorabend und wird durch den Vormittag des Spieltages abgerundet; sie ist zu vergleichen mit dem Abschlusstraining der Mannschaften. Dort analysieren wir nicht nur alle aktuellen Szenen der vorherigen Spieltage, sondern bereiten uns im Detail auf die Mannschaften vor. Mit diesem Matchplan in der Tasche treffen wir 100 Minuten vor Spielbeginn im Stadion ein. Nach der Ankunft dort ist alles in Standardprozessen organisiert: Begrüßung von Mannschaften/Offiziellen, Check der Trikotfarben, Platzbegehung, Vorbesprechung mit dem Beobachter, gefolgt vom Warm-Up, bis hin zum Einlaufen nach einem von den Fernsehanstalten festgelegten Zeitplan. Direkt nach Abpfiff folgt das Coachinggespräch mit dem vom DFB angesetzten Stadionbeobachter. Hierfür wird bereits wenige Minuten nach Spielende ein USB-Stick zur Verfügung gestellt. Erst nach der Analyse endet unser Arbeitstag mit einem gemeinsamen Abendessen, bevor wir die Heimreise via Flugzeug, Bahn, Pkw oder Mietwagen antreten. Die Eindrücke des Stadionbeobachters werden bis zum darauffolgenden Montag in Textform im DFBnet eingestellt. Punkte werden jedoch nicht auf Grundlage der Stadioneindrücke, sondern von einem weiteren Fernsehbeobachter, dem sog. Coach, vergeben. Über 70 verschiedene Einzelkategorien werden mit Punkten bewertet, die am Ende der Saison in ein Leistungsbild aller Spiele von allen Schiedsrichtern/Schiedsrichter-Assistenten der Spielklasse ergeben. Kurzum: die Unparteiischen führen eine eigene Liga, welche am Ende über Auf- und auch Abstiege entscheidet.
WAS FÜR EIN SCHIEDSRICHTER IST FABIAN SCHNEIDER? WIE KÖNNTE MAN DEINE ART EIN SPIEL ZU LEITEN AM BESTEN CHARAKTERISIEREN?
Fabian Schneider:
Ich versuche dem Spiel das zu geben, was es braucht; möglichst unauffällig und im Hintergrund, wenn es aber sein muss, mit der nötigen Präsenz aufzutreten. Eine klare und berechenbare Linie, aber auch das Führen von Spielern sowie eine jederzeit respektvolle Kommunikation erachte ich als wichtige Bausteine. Dabei ist ein gesundes Maß an Selbstvertrauen wichtig, denn auch unpopuläre Entscheidungen gehören nicht selten zum Tagesgeschäft, die es im Zweifel gilt durchsetzen zu können.
WAS MACHT FÜR DICH EINE GUTE SPIELLEITUNG AUS?
Fabian Schneider:
Groteskerweise ist es das beste Zeugnis für eine gute Spielleitung des Schiedsrichters, wenn nach Abpfiff keiner etwas von einem will. Strittige Entscheidungen wird es im Fußball, wie selbst die Einführung des Videobeweises gezeigt hat, immer geben. Ein besonderes Merkmal einer guten Spielleitung ist es, nicht über den Dingen stehen zu wollen, sondern vielmehr, ein Spiel zu begleiten und managen.
WIE HOCH IST DEIN WÖCHENTLICHER TRAININGSAUFWAND?
Fabian Schneider:
Schiedsrichter sind Leistungssportler. Die 4-5-mal wöchentlich stattfindenden Fitness-Einheiten (Lauftrainings, Kraft- und Koordinationstrainings an Geräten à 1,5-2 Std.) bilden dabei jedoch nur die Grundlage. Mindestens von gleicher Bedeutung ist die über diesen Zeitaufwand hinaus stattfindende Nachbetrachtung der eigenen Spiele, Gespräche mit den zugewiesenen Coaches, DFB-Stützpunkte und Lehrgänge, Selbststudium des DFB-Videoportals, usw. Gut und gerne beträgt daher der zeitliche Aufwand für die Spielvorbereitung einschließlich eines Spieltages mit An- und Abreise mehr als 20 Stunden pro Woche.
BEREITEST DU DICH INDIVIDUELL AUF BESTIMMTE PARTIEN VOR?
Fabian Schneider:
Eine gezielte Spielvorbereitung erfolgt ausnahmslos. Ausgewertet werden daher im Vorfeld nicht nur Statistiken der Mannschaften, sondern insbesondere deren Spielweisen. Für ein erfolgreiches Match-Management sollte man als Entscheidungsträger die Leistungsträger und Führungsspieler kennen. Getreu nach dem Motto: „Vorbereitung ist besser als Nachbereitung“. Ohne das notwendige Wissen um Tabellensituation, Brisanz aufgrund von Vorduellen, Fairplay-Wertung, Derbycharakter, o.ä. kann der Spielcharakter ungewollt kippen. Auf all dies vorbereitet zu sein, ist ebenfalls ein weiterer Schlüssel zur erfolgreichen Spielleitung.
WIE SIEHT ES MIT DEINEN AMBITIONEN AUS, KÜNFTIG NOCH HÖHER ZU AGIEREN? WAS IST NOCH MÖGLICH, BZW. WIE SIND CHANCEN?
Fabian Schneider:
Aufstiegsambitionen hegt jeder der insgesamt 30 Referees in der Regionalliga Südwest, sonst wären wir in dieser Liga deplatziert. Aufgrund der Leistungsdichte entscheidet am Ende jedoch nicht alleine die Willenskraft über weitere Aufstiege, sondern das notwendige Quäntchen Glück, Situationen in Sekundenbruchteilen richtig wahrzunehmen, zu bewerten und anschließend zu entscheiden. Ich selbst habe bisher gut daran getan, mich auf die Dinge zu konzentrieren, die ich durch Fleiß und Eifer beeinflussen kann.
WELCHE GRÜNDE WÜRDEST DU ANFÜHREN, UM JUNGE INTERESSENTEN VON DER SCHIEDSRICHTERTÄTIGKEIT ZU ÜBERZEUGEN?
Fabian Schneider:
Statt zu kellnern oder Regale einzuräumen, haben gerade junge Schiedsrichter ab Vollendung des 12. Lebensjahrs die Möglichkeit, sich mit dem Fußball ein kleines Taschengeld dazuzuverdienen. Weiterhin selbst Fußball zu spielen ist dabei kein Ausschlusskriterium, denn das DFBnet bietet mit einer eigenen Zugangskennung die Option, jegliche Sperrtermine (z.B. eigene Spiele, Urlaub, Ferien, o.ä.) zu hinterlegen. Ferner kann die Persönlichkeitsentwicklung von jungen Menschen nach meinem Dafürhalten kaum besser gefördert werden: eigenständiges Handeln, Entscheidungen treffen und diese durchsetzten sowie die Kommunikation und das Führen von Menschen u.ä. sind Charaktereigenschaften, die nicht nur auf dem Sportplatz, sondern auch im Berufs- oder Privatleben von hoher Bedeutung sind. Stimmt die dargebotene Leistung auf dem Platz, sind schnelle Karrieresprünge keine Seltenheit, denn was einem als Fußballer in die Wiege gelegt sein muss, kann man sich als Schiedsrichter Saison für Saison erarbeiten. Es erscheint daher nur noch als schöner Nebeneffekt, dass man mit seinem gültigen Schiedsrichter-Ausweis zu allen(!) Spielen im Bereich des DFB freien Eintritt erhält.
GEWALT GEGEN DIE UNPARTEIISCHEN IST EIN GANZ AKTUELLES THEMA. HAST DU DIESBEZÜGLICH SELBER SCHON SCHLECHTE ERFAHRUNG GEMACHT UND WIE KÖNNTE HIER DIE SITUATION DER SCHIEDSRICHTER VERBESSERT WERDEN?
Fabian Schneider:
Mir persönlich ist bislang keine Gewalt widerfahren. Alarmierend empfinde ich persönlich jedoch die zunehmende Gewalt im Fußball, speziell gegen Schiedsrichter. Trotz dessen, dass ich als Schiedsrichter ein Einzelkämpfer bin der ausnahmslos Auswärtsspiele bestreitet und mit jeder Entscheidung für eine Mannschaft gleichzeitig ein anderes Team benachteiligt, brenne ich aus tiefster Leidenschaft für mein Hobby. Nach meinem Dafürhalten kann jeder (Jugend-)Trainer oder Vereinsvorstand in der breiten Masse viel bewirken, wenn Werte wie Respekt und Toleranz nicht nur in den eigenen Reihen großgeschrieben werden. Es muss ein gesellschaftliches Umdenken stattfinden, damit die Person „Schiedsrichter“ nicht mehr als Gegenspieler, sondern als Mitspieler des Spiels betrachtet wird. Nahezu jede Art von Emotionen sind wichtiger Bestandteil des Sports, aber sie schießen dann über das Ziel hinaus, wenn man im Moment des Fehlverhaltens die Frage danach, ob man einem Elternteil oder im Berufsleben jemandem so entgegentreten würde, verneinen muss. Diese einfache Faustregel kann, ohne große Einschränkungen in Kauf nehmen zu müssen, eine enorme Flächenwirkung im Amateurfußball für mehr Respekt gegenüber dem Schiedsrichterwesen entfalten.